Invest Region Leipzig GmbH

Interview mit Peter Ledermann: Unite's Expansion in Leipzig

Wir freuen uns, dass sich Peter Ledermann (PL), Vorstand von Unite, Zeit für ein Gespräch mit unserer Kollegin Greta Wenske (GW) genommen hat. Unite, vormals Mercateo, hat sich in den letzten Jahren als innovatives und wachstumsstarkes Unternehmen in Leipzig etabliert. Herr Ledermann gibt uns einen Einblick in die Entwicklung von Unite, die Gründe für die Verlegung des Münchner Headquarters nach Leipzig, die einzigartigen Geschäftsmodelle und die Unternehmenskultur, die das Unternehmen auszeichnen.

GW: Herr Ledermann, wie hat Unite in Leipzig angefangen?

PL: 2003 haben mein Kollege Sebastian Wieser und ich das Unternehmen, damals Mercateo, von den Gesellschaftern übernommen, weil wir an ein skalierbares Marktplatzmodell für Geschäftskunden glaubten. Von München, dem Gründungssitz von Mercateo aus, haben wir 2004 glücklicherweise weitere Investoren gefunden und sind mit der Wirtschaftsförderung Sachsen-Anhalt in Kontakt gekommen. Sie haben uns von einem Lohnsubventionsmodell erzählt und so sind wir auf den Standort Köthen in Sachsen-Anhalt aufmerksam geworden. Wir haben gesagt, zu uns kommt sowieso kein Kunde persönlich, weil wir im Internet aktiv sind. Wir gehen auch in kleinere Städte und Köthen war gut! Also haben wir mit den ersten 9 Mitarbeitern in Köthen angefangen und sehr gute Leute gefunden.

Aber auf Dauer ist die Kleinstadt Köthen für ein schnell wachsendes E-Commerce-Innovationsunternehmen doch etwas zu klein. Deshalb haben wir uns 2011 entschieden, zusätzlich nach Leipzig zu expandieren. Leipzig war für uns nah genug, um den kulturellen Transfer von Köthen zu bewahren. Wir hatten damals schon die Diskussion, vor allem im Aufsichtsrat, warum nicht Berlin. Alle gehen nach Berlin. Wir haben ganz bewusst gesagt: Nein, nicht Berlin.

Peter Ledermann, Vorstand Unite

An Leipzig hat uns vor allem die bürgerliche DNA gefallen. Leipzig ist historisch eine weltoffene Handelsstadt, kulturell offen. Das liegt in der DNA der Stadt. Sie hat etwas Bodenständiges und gleichzeitig etwas Offenes und Innovatives. Und als Stadt ist Leipzig natürlich wunderschön. Das passt gut zu uns, da wir ebenfalls innovativ, bodenständig, kulturorientiert, offen und ehrlich sind.

Als unser Büro in Leipzig langsam wuchs, wuchsen Köthen und Leipzig gleichmäßig. Wir haben in beiden Städten eine interne Mitfahrzentrale eingerichtet, um den Austausch zwischen den Standorten zu gewährleisten.

GW: Vor kurzem wurde das neue Headquarter von Unite eröffnet - wie haben die Mitarbeitenden auf den Bau des neuen Headquarters reagiert?

PL: Es war ein spannender Prozess. Eines Tages bot sich die Möglichkeit, ein Grundstück in der Innenstadt zu erwerben, um dort ein Bürogebäude zu errichten. Wir besitzen keine Immobilien, wir mieten nur. Es ergab sich die Konstellation mit der OFB als Projektentwickler. Die Stadt Leipzig hat das Grundstück ausgeschrieben und wir haben uns gemeinsam mit der OFB als Projektentwickler beworben. Wir haben schließlich den Zuschlag bekommen. Aber das war vor Corona. Wir haben das Bürogebäude geplant, und das war wahrscheinlich ziemlich anstrengend für das Architekturbüro, da wir immer gute Ideen haben. Das Gebäude hat die Form eines U. Wir wollten keine geraden Gänge, um zu vermeiden, dass es wie ein typisches Bürogebäude aussieht. Es sollte Treffpunkte geben, wo man sich treffen und bewegen kann. Wir dachten darüber nach, wie die Arbeit in 10 bis 15 Jahren aussehen könnte.

Corona kam, aber wir mussten kaum etwas ändern, weil unsere Planung auch für die Zukunft passte. Als das Gebäude fertig war, haben wir festgestellt, dass unsere Architektur das Verhalten und die Kultur der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fördert. Wir haben flexible Raumgrößen, viele Rückzugsmöglichkeiten und verschiedene Arten von Besprechungsräumen. Das bedeutet auch, dass das Prinzip 'Ich komme in meine Abteilung und jeder hat seinen festen Platz' nicht funktioniert, sonst hätten wir viel zu viele Tische. Das heißt aber auch, dass sich alle Abteilungen auf unserer Bürofläche mischen. So fördern wir den Austausch untereinander. Das wollten wir auch durch die Architektur erreichen. Die Architektur soll unsere Kultur unterstützen und nicht nur schick sein.

GW: Geht das Konzept aus Ihrer Sicht auf?

PL: Wir merken schon Unterschiede zur vorherigen Immobilie, es ist ein Change. Aber wir merken, es funktioniert. Ein banales Beispiel: Die beste Kaffeemaschine steht im Erdgeschoss im Restaurant. Wer guten Kaffee will, geht dorthin und trifft andere.

GW: Wie würden Sie die Unternehmenskultur bei Unite beschreiben?

PL: Wir sind offen, transparent, respektvoll und arbeiten auf Augenhöhe. Es gibt keine Vorstands- oder Geschäftsführerzimmer, keine Sekretariate. Ich suche mir meinen Platz wie jeder andere auch. Wenn ich ein Gespräch führe, das nicht jeder hören soll, suche ich mir einen Raum wie jeder andere auch. Es ist ein respektvolles Miteinander auf Augenhöhe, offen und ehrlich.

Manchmal ist es zu kuschelig, aber wir müssen trotzdem gute Leistungen bringen, denn wir sind ein Wirtschaftsunternehmen. Was ich von neuen Mitarbeitenden höre, ist, dass ihnen die Offenheit am meisten auffällt. Wenn sie eine Frage haben, bekommen sie eine Antwort oder werden an jemanden verwiesen, der sie beantworten kann.

Wir sind transparent, wir haben alle 4 Wochen ein sogenanntes „Hello Unite“, wo der Vorstand transparent an die Belegschaft berichtet. Ich präsentiere dort die Geschäftszahlen des Vormonats, unabhängig davon, ob sie gut oder schlecht sind. Offenheit kann auch Angst machen, wenn man sagt, der letzte Monat war schlecht. Wir spüren die makroökonomische Rezession. Wenn ein Unternehmen da draußen sagt, wir bauen 10 % des Verwaltungspersonals ab, verlieren wir 10 % unserer Kunden. Wir arbeiten immer noch profitabel und mit unserem eigenen Geld, aber wir haben keine großen Wachstumszahlen. Wir schrumpfen nicht, aber wir spüren die gesamtwirtschaftliche Situation. In solchen Zeiten ist es wichtig, transparent zu bleiben und zu sagen, so ist es einfach. Wir sind bereit, über die Dinge zu reden, die nicht so gut laufen.

GW: Können Sie uns etwas über die aktuellen Transformationen bei Unite und die neuen Geschäftsmodelle, die Sie implementieren, berichten?

PL: Lassen Sie mich kurz unser Geschäftsmodell erklären - Wir betreiben eine B2B-Plattform, die es Käufern und Lieferanten ermöglicht, ihre Geschäftsbeziehungen effizient und transparent zu verwalten. Mit unserem Single-Creditor-Modell reduzieren wir die Prozesskosten für unsere Kunden, während die Plattform nachhaltige Geschäftspraktiken und Compliance-Anforderungen unterstützt. Zudem fördern wir durch unsere Netzwerk- und Kollaborationsplattform langfristige, vertrauensbasierte Geschäftsbeziehungen und die Resilienz der Lieferketten​.

Aufgrund neuer gesetzlicher Regelungen und zur Stärkung unserer Alleinstellungsmerkmale befinden wir uns in einem Transformationsprozess. Unser Marktplatzmodell folgt der 80/20-Regel: 20 % der Lieferanten repräsentieren 80 % des Einkaufsvolumens. Der Marktplatz trennt jedoch die Beziehung zwischen Kunde und Lieferant. Wir sind neutral, haben keine eigenen Lager und behandeln alle Lieferanten gleich.

Im zweiten Teil unseres Geschäftsmodells betrachten wir die restlichen 20%, die nicht über den Marktplatz bedient werden. Hier haben wir uns überlegt, wie eine Plattform einen Mehrwert generieren kann, wenn sich Lieferanten und Kunden vernetzen können. Deshalb haben wir neben dem Marktplatzmodell das Single-Creditor-Modell eingeführt, bei dem wir als Einkaufskommissionär für die Kunden agieren. Das reduziert die Prozesskosten und bietet Flexibilität durch Mini-Ausschreibungen auf Warenkorbebene. Das Modell ist für Großkunden, mittelständische Kunden und die öffentliche Verwaltung attraktiv, da es regionale, digitale und nachhaltige Beschaffungsanforderungen umsetzt.

Nachhaltigkeit ist uns wichtig. Ein bestimmter Prozentsatz der Transaktionen über unsere Plattform soll aus nachhaltigen Angeboten bestehen. Unsere Plattform optimiert den Warenkorb, indem sie wirtschaftlich und nachhaltig bessere Vorschläge macht. Dies ist besonders relevant für die öffentliche Beschaffung und Unternehmen mit Compliance-Anforderungen, die unsere Hauptzielgruppe bilden. Weitere Funktionen, die für den öffentlichen Einkauf wichtig sind, wie z.B. die Darstellung von Clustern, können ebenfalls über unsere Plattform abgebildet werden.

GW: Welche Ratschläge würden Sie anderen Unternehmen geben, die erwägen, in Leipzig zu investieren?

PL: Ich kann es nur empfehlen. Leipzig ist lebenswert, hat gut ausgebildete Menschen, eine internationale Atmosphäre und eine gute Mischung aus bodenständig und innovativ. Leipzig hat eine weltoffene DNA. Auch das Thema friedliche Revolution '89 konnte in keiner anderen Stadt stattfinden als in Leipzig.

Was Unternehmen hier nicht finden, ist eine hippe Berliner Szene, dafür aber eine große Vielfalt. Hier muss man bereit sein, sich auf ein Leipziger Netzwerk einzulassen, das auf Ehrlichkeit und Bodenständigkeit setzt.

GW: Gibt es Unternehmen oder Kooperationen mit lokalen Unternehmen und Institutionen, die Sie besonders schätzen?

PL: Ja, wir schätzen die Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen wie dem Gewandhaus und dem Handballverein Leipzig. Wir haben den ersten Auszubildenden aus der Leipziger Jugendmannschaft, einen U17-Nationalspieler. Die Ausbildung von Spitzensportlern ist anstrengend, aber wir sind bereit dazu, denn das ist einer der Gründe, warum gute Leute nach Leipzig kommen. Auf der kulturellen Seite nähern wir uns dem Gewandhaus, um zu lernen, wie ein Dirigent eine Gruppe von Künstlern dazu bringt, etwas zu spielen, das gut klingt. Wir arbeiten auch mit dem Mendelssohn-Haus zusammen.

Mit der L-Gruppe sind wir schon lange geschäftlich vernetzt, auch weil sie unsere Nachbarn sind. Wir haben auch schon die Stadt Leipzig zu Veranstaltungen bei uns gehabt und vor kurzem das HR-Barcamp veranstaltet. Da waren über 100 Personaler bei uns. Wir sind Mitglied im IT-Cluster Mitteldeutschland und halten Vorträge zu IT-Themen und Organisationsentwicklung und Unternehmenskultur. Wir haben Kontakt zur HTWK, die für uns Einkaufsstudien und Prozesskostenrechner erstellt hat. Wir haben Kontakte zur Handelshochschule und zur Lancaster University - 2 unserer Mitarbeiter sind dort als Dozenten tätig.  Wir sind offen für Kooperationen und glauben daran, dass Unternehmensgrenzen durchlässig werden. Wir denken in Ökosystemen. Wir haben zum Beispiel Dienstleister, die in unserem Unternehmen sitzen und mit uns zusammenarbeiten, die nicht von den Kollegen bei Unite zu unterscheiden sind. Wir haben in München eine Homebase für KI-Studenten der TU München eingerichtet. Dadurch entsteht ein toller Erfahrungsaustausch, das ist wie eine permanente Frischzellenkur. Das ist ein Bereich, den ich auch in unserer Zentrale unter dem Titel „Startups in Residence“ zur Verfügung stellen möchte. Wir wollen uns nicht abschotten, sondern offen sein für Beziehungen. Das passt auch zu Leipzig.

 

Mit einer starken Unternehmenskultur und dem Fokus auf Nachhaltigkeit und Digitalisierung blickt Unite optimistisch in die Zukunft. Wir danken Herrn Ledermann für das informative Gespräch und freuen uns auf weitere spannende Entwicklungen aus dem Hause Unite.

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